Die Geschichte von St. Clemens
Über 100 Jahre nach der Reformation: Katholisches Leben in Hannover beginnt neu
Die St.-Clemens-Kirche wird im Jahre 1718 als erstes katholisches Gotteshaus nach der Reformation geweiht. Die Gründung einer katholischen Gemeinde hängt eng zusammen mit dem damaligen Herrscherhaus. Ein entscheidender Impuls kommt von Herzog Johann Friedrich, der 1665 den Thron besteigt. Er konvertierte mit seiner Familie während eines Italienaufenthaltes in Assisi zum katholischen Glauben. Zunächst darf der Herzog das katholische Bekenntnis nur privat ausüben. So wird der erste katholische Gottesdienst nach der Reformation im großen Saal des Leineschlosses von Valerio Maccioni zelebriert. Später werden die Messen in der Schlosskapelle gefeiert. Herzog Johann Friedrich setzt Maccioni als ersten Seelsorger für die junge Gemeinde ein, die hauptsächlich aus Bediensteten des Hofes besteht. Nachfolger des 1676 verstorbenen Maccioni wird Niels Stensen, der sich nun als Apostolischer Vikar des Nordens zusammen mit den Kapuzinern der Gemeindeseelsorge widmet.
Herzog Ernst August: Glaubensfreiheit als Preis für die Kurwürde
Nach dem Tode Johann Friedrichs 1679 übernimmt sein evangelischer Bruder Ernst August 1680 die Regierung im Leineschloss. Er schränkt die Rechte der Katholiken stark ein und lässt die Schlosskirche für den katholischen Gottesdienst schließen. Die ungünstige Situation der Katholiken veranlasst Bischof Stensen, Hannover zu verlassen, nachdem er die Seelsorge durch die Jesuiten gesichert weiß. Als Ernst August die Kurwürde erhält (also das Recht, den Kaiser zu wählen), verpflichtet er sich allerdings, den Katholiken die freie Religionsausübung zu gestatten und ihnen eine Kirche zu errichten. Die Verhandlungen werden geführt von dem italienischen Priester, Komponisten und Diplomaten Agostino Steffani.
Venezianische Baukunst auf der alten Stadtbefestigung
Steffani, der im Jahre 1707 in Bamberg zum Bischof geweiht wird, trifft 1709 in Hannover ein. Hier spendet er nach dreißig Jahren wieder das Sakrament der Firmung. Von nun an betreibt Steffani energisch den Bau einer Kirche für die katholische Gemeinde. Obwohl von Kurfürst Ernst August zugesagt, wird der Bau eines Gotteshauses unter seinem Nachfolger Georg Ludwig immer wieder hinausgezögert. Auch gestaltet sich die Grundstückssuche schwierig, nicht zuletzt wegen des Widerstands des Magistrats oder von Teilen der protestantischen Bevölkerung. Schließlich gelingt es, in der Neustadt den Windheimschen Hof auf einer Bastion der Stadtbefestigung zu kaufen. Bischof Steffani lässt zunächst verschiedene Entwürfe für einen Zentralbau über dem Grundriss eines griechischen Kreuzes anfertigen, die allerdings verloren gehen. 1711 überträgt Steffani seinem Landsmann Thomaso Giusti die Planung und Bauleitung der Kirche. Am 6. Juli 1712 kann der Grundstein gelegt werden. 1713 fertigt Giusti das Baumodell an, das sich heute im Museum Schloss Herrenhausen befindet. Es zeigt einen venezianischen Kuppelbau mit zwei flankierenden Türmen im Westen. Am 4. November 1718 kann die Kirche endlich konsekriert werden, wobei man aus Geldmangel auf die Kuppel verzichtet. Patron des Gotteshauses wird der heilige Clemens, der Namenspatron des damaligen Papstes Clemens XI. Dieser hatte durch das Schreiben von vielen Bettelbriefen in aller Welt für einen Kirchbau in Hannover geworben.
Zerstörung und Wiederaufbau
Fast 225 Jahre steht das Gotteshaus unverändert, bis es bei dem schweren Angriff vom 8. auf den 9. Oktober 1943 durch Bomben zerstört wird. Am Ende des Krieges sind nur noch die Außenmauern der Kirche vorhanden. Die Gemeinde verliert ihre gesamte Kirchenausstattung und auch ihre Orgel. Die St.-Clemens-Kirche bildet ein Baudenkmal von besonderem Wert und für die Katholiken Niedersachsens außerdem ein Geschichtsdenkmal. Dies wurde schon im Jahr 1894 von dem damaligen Papst Leo XIII. dadurch anerkannt, dass er die St.-Clemens-Kirche durch ein päpstliches Dekret zur Propstei-Kirche erhob. Das alles war Grund genug, bereits ab 1946 den Wiederaufbau voranzutreiben. Man einigt sich, dabei nun die von Giusti geplante Kuppel zu errichten. Zur Ausführung kommt der von Professor Dr. Otto Fiederling stammende Entwurf. Am 24. November 1957 kann die wieder erbaute St.-Clemens-Kirche durch den Apostolischen Nuntius Aloysius Muench geweiht werden. In den folgenden Jahren erfährt die Kirche noch einige Veränderungen, z.B. den Umbau des Altarraumes nach den 1965 beschlossenen liturgischen Richtlinien des II. Vatikanischen Konzils. Weiterhin bekommt die Gemeinde nach 30 Jahren wieder eine Orgel. Aus technischen und akustischen Gründen wird sie hinter dem Altar platziert. Am 3. Juni 1973 erfolgt die Weihe des von der Orgelbauanstalt Johannes Klais aus Bonn gebauten Instrumentes durch Weihbischof Heinrich Pachowiak. Anfang der achtziger Jahre werden Haupt- und Nordeingang der Kirche umgestaltet. Die neuen Portale stammen von dem Künstler Heinrich Gerhard Bücker aus Beckum-Vellern. Im Jahre 1998 erhält die St.-Clemens-Kirche eine hohe Würdigung: Wegen ihrer besonderen Bedeutung verleiht Papst Johannes Paul II. der katholischen Hauptkirche Hannovers den Ehrentitel „Basilika Minor“. Damit ist sie nach St. Godehard in Hildesheim die zweite Kirche in der Diözese, die den Titel Basilika tragen darf.
Von der Begräbnisstätte zur Gottesdienstkapelle - Die Krypta
Die Krypta wird nach dem Bau der Kirche zunächst als Begräbnisstätte genutzt. Es gilt als besondere Ehre, hier bestattet zu werden. Auch der Architekt der Kirche, Thomaso Giusti, findet hier seine letzte Ruhestätte. Die letzte Beisetzung gibt es im Jahre 1774. Später wird die Krypta an eine Weinhandlung vermietet und schließlich im zweiten Weltkrieg als Luftschutzraum umfunktioniert. Als Hannover im Februar 1946 eine Hochwasserkatastrophe erlebt, wird auch die Krypta überflutet. Das Wasser richtet große Schäden an. In den darauf folgenden Jahren wird die Krypta neu gestaltet und durch einen Treppengang mit der Oberkirche verbunden. Heute dient die Krypta von St. Clemens als Ort, an dem Hoffnung und Trauer vor Gott gelegt werden kann.